Bereits während meines Studiums habe ich mich für Säkularität in den Niederlanden interessiert, verfolge seitdem die öffentlich-politischen Debatten über die Rolle von Religion und religiösen Minderheiten in der Gesellschaft und diesbezügliche legislative Veränderungen.
In zunehmendem Maße drängen säkulare Parteien zu einer stärkeren Säkularisierung, z. B. in Form der Aufhebung von Gesetzen mit religiösem Hintergrund (wie dem niederländischen Blasphemie-Gesetz oder den Regelungen zu Sonntagsöffnungszeiten), oder jenen Bestimmungen, die es religiösen Individuen und Organisationen erlauben, von Anti-Diskriminierungsgrundsätzen bezüglich Geschlecht und sexueller Orientierung Abstand zu nehmen. Fragt man nach kulturellen Faktoren hinter den gegenwärtigen Säkularisierungstendenzen, dann sind dies progressive Positionierungen in gender- und sexualitätsbezogenen Fragen, sowie die Tendenz, den besonderen Status von Religion als partikularer Identitäten in Frage zu stellen. Säkularität bleibt jedoch ein umstrittenes Thema: Christliche Parteien wehren sich mit unterschiedlichem Erfolg gegen eine weitere Säkularisierung; und auch wenn die Integrationsdebatte längst abgeklungen ist, bleibt der Islam ein Faktor in säkularitätsbezogenen Auseinandersetzungen.
Im Rahmen meines Dissertationsprojektes wende ich mich der niederländischen Säkularitätsdebatte aus akteursspezifischer Perspektive zu. Ich befasse mich mit D66, einer sozial-liberalen Partei, die eine zentrale Rolle in den Bemühungen um eine weitere Säkularisierung auf lokaler und nationaler sowie auf EU-Ebene spielt. Basierend auf einem Verständnis politischer Parteien als vielseitige Organisationen geht mein Forschungsinteresse in drei Richtungen: 1) interessiere ich mich für D66 als einen der Akteure, die eine niederländische (und europäische) säkulare Ordnung mit beeinflussen; 2) untersuche ich, inwiefern unterschiedliche Verständnisse von Säkularismus sowie (nicht)religiösen Identitäten innerhalb der Partei artikuliert und ausgehandelt werden; und 3) bin ich am ideologischen sowie organisatorischen Verhältnis eines säkularen Liberalismus zu stärker weltanschaulich orientierten nichtreligiösen Positionierungen interessiert.
Meine Analyse zielt daher darauf 1) zentrale Arenen für die Aushandlung von Säkularität zu beschreiben, sowie 2) unterschiedliche Typen des Säkularismus innerhalb der Partei sowie deren Verhältnis zu (nicht)religiösen Weltanschauungen zu rekonstruieren. Meine Arbeit basiert maßgeblich auf qualitativen Interviews.