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Forschungskredit „Candoc“ der Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Zürich
08.2014–07.2016
In der abendländischen Kultur oszilliert die Bedeutung des Atmens zwischen den Dimensionen des Körperlichen und Geistigen. Weil sich das Atmen nicht eindeutig zuordnen lässt, weder Geist noch Materie, weder Innen noch Aussen, weder aktiv noch passiv ist, eröffnet es die Möglichkeit einer empirischen Annäherung an den Körper in der Alltagskultur, die neue Erkenntnismöglichkeiten über den Körper und eine kritische Überprüfung bestehender Körperkonzepte verspricht. Es unterläuft die Dichotomisierung von Körper und Geist wie Körper und Raum und wirft Fragen nach der Körperlichkeit im Spannungsfeld von Konstruktion und Dekonstruktion auf. Namentlich konstruktivistische Studien, die das Spannungsfeld zwischen sprachlich kultureller Einschreibung und Körper betonen, dominieren gegenwärtige kulturwissenschaftliche Publikationen über den Körper. Diese heben seine sprachlich-diskursive Performativität und damit seine kulturelle Konstruiertheit hervor. An letzterem Punkt setzen neuere dekonstruktivistische Ansätze an, die gerade auf eine Befreiung des Körpers von diskursiven Bedeutungszuweisungen zielen (u.a. Jean-Luc Nancy). Davon ausgehend untersucht das Dissertationsprojekt „Atem-Wege“ das Atmen aus empirisch kulturwissenschaftlicher Perspektive. Im Zusammenspiel zwischen körperlicher Notwendigkeit, psychischen Befindlichkeiten und bewusster Einflussnahme erwachsen mehrfache Bedeutungszuschreibungen an das Atmen, die exemplarisch mit ethnographischen Methoden untersucht werden. Das Projekt will prüfen inwiefern der Körper jenseits von Konzepten seiner Abgeschlossenheit und seiner Objektivierbarkeit neu gedacht und empirisch erschlossen werden kann.
Die geplante Forschungsarbeit über das Atmen leistet einen innovativen und vielversprechenden theoretischen und methodischen Beitrag zum aktuellen Körperdiskurs der empirischen Kulturwissenschaften und reiht sich mit einer interdisziplinären Fragestellung in den aktuellen gesellschaftlichen Gesundheitsdiskurs ein.