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ISEK - Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft Ethnologie

Agents of Change?

Morality, Responsibility and Social Enterprises in Vietnam

Die Figur der/s Unternehmer*in, vom “Selfmademan” bis zum “einflussreichsten Unternehmer aller Zeiten”, ist unverzichtbar in gegenwärtigen Entwicklungsdiskursen. Gleichzeitig wurde der private Sektor immer wichtiger in zentralen Bereichen der Entwicklung, zum Beispiel Armut, Nahrungs- und Wassersicherheit und Klimawandel. Die Wichtigkeit der Rolle des privaten Sektors wurde unmissverständlich im Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP 2018) formuliert: „Wenn wir die Ziele bis 2030 erreichen wollen, ist die Frage nicht, ob wir den privaten Sektor in Entwicklung einbeziehen oder nicht. Die Frage ist, wie.“

Der Ruf, den privaten Sektor einzubeziehen und Unternehmertum zu fördern, wirft die Frage der Verantwortung auf, die auch lokale Gemeinschaften als Quelle von Kreativität und Wissen einschliesst. Motiviert vom Gedanken, das Leben von benachteiligten Menschen zu verbessern und zu weitreichendem positiven Wandel durch sich selbst erhaltende Unternehmen beizutragen, stellt soziales Unternehmertum (social entrepreneurship) einen Entwicklungsansatz dar, der sinnbildlich für unsere Zeit steht. Während soziale Unternehmen auf der ganzen Welt verbreitet sind, findet dieses Modell in Vietnam, dessen Unternehmensgeist oft in Medien gerühmt wird, besonders Anklang. Nicht nur die Anzahl und die Beliebtheit von sozialen Unternehmen sind in Vietnam kontinuierlich gestiegen, sondern auch ihr gesetzlicher Status hat sich verändert: Im Jahr 2014 hat die vietnamesische Regierung als eine der ersten im südostasiatischen Raum soziale Unternehmen offiziell anerkannt.

Global gesehen haben soziale Unternehmen eine grössere Bedeutung erhalten, weil Staaten sozialen und ökologischen Angelegenheiten im Alleingang immer weniger gewachsen sind und Bürger*innen vermehrt zu Mithilfe angeregt werden. Soziale Unternehmen können daher als Manifestation dafür gesehen werden, was Daromir Rudnyckyj und Anke Schwittay (2014) “afterlives of development” genannt haben. Dieses Konzept beschreibt einen Prozess, der einerseits vom Rückzug des Staats von seiner ehemaligen Rolle als Dienstleistungsanbieter, andererseits von der Übertragung von Verantwortung auf Bürger*innen gekennzeichnet ist. Dieser Prozess wird oft als entscheidendes Merkmal einer neoliberalen ökonomischen Ordnung angesehen, in der Individuen für ihren (Miss-)erfolg selber verantwortlich sind.

Der Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf den Alltagspraktiken von sozialen Unternehmer*innen, mit denen sie versuchen, zu sozialem Wandel beizutragen, ihren Auffassungen von einem “guten Leben” sowie Diskursen, die über sie produziert werden. Somit folgt diese Forschung früheren ethnologischen Arbeiten, welche Unternehmer*innen als “agents of change” (Barth 1967) betrachtet haben. Dr. Esther Horat wird eine 12-monatige ethnologische Feldforschung in Hanoi und Ho Chi Minh Stadt durchführen und sich dabei mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Was sehen soziale Unternehmer*innen als “gut” oder als unterstützenswert an? Durch welche Prozesse wird Verantwortung individuell wahrgenommen und mit anderen sozialen Unternehmer*innen und der Gesellschaft ausgehandelt? Wie stellen sich soziale Unternehmer*innen die Zukunft vor, und wie beeinflussen diese Ideen ihre Handlungen?

‘Agents of Change? Morality, Responsibility and Social Enterprises in Vietnam’ ist ein vierjähriges Forschungsprojekt (2019-2023), das von der Stiftung für wissenschaftliche Forschung an der Universität Zürich unterstützt wird.

Weiterführende Informationen

Projektbild Vietnam