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Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
10.2012–11.2014
Das Projekt untersucht die Entstehung und Entwicklung des Büro-Raums zwischen 1880 und 1930 in der Schweiz. In der bisherigen Forschung stand die Verbreitung des scientific management und die Entwicklung von Arbeitstechniken bzw. Technik für die Arbeit in der Verwaltung im Sinne einer social construction of technology im Vordergrund. Ebenso haben sich sozialgeschichtliche Untersuchungen und solche aus den gender studies mit dem Büro beschäftigt. Ihr Interesse galt dabei besonders dem Aufkommen des Angestellten als neuer sozio-professioneller Figur. Zudem ist diese mit dem neuen Berufsstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts einhergehende Feminisierung als wesentlicher Aspekt der Geschichte der Arbeit beschrieben worden.
In der vorliegenden Untersuchung wird – darüber hinausgehend - das Büro als Form einer „Verräumlichung“ der Verwaltungsarbeit betrachtet und als hybrides Phänomen in den Blick genommen. Ziel ist es, herauszuarbeiten, dass und wie der euklidische Raum der Innenarchitektur einerseits von sozialen, technischen und kulturellen Faktoren bestimmt wird und andererseits selbst soziale und kulturelle Fakten schafft. Diese „Verräumlichung der Verwaltungsarbeit“, genauer die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Phänomenen im Rahmen eines einheitlichen räumlichen Kontextes, soll mit dem Begriff „Raumkulturen des Büros“ erfasst werden.
Ausgehend von diesem Raumverständnis wird im vorliegenden Projekt ein Ansatz zum Neuverständnis der Entwicklung des Büros mithilfe des Foucaultschen Begriffs des Dispositivs entwickelt: Büro wird verstanden als heterogener Komplex, welcher Teil einer Machtstrategie ist. Das Büro als Raum zu analysieren heißt daher, darin die Beziehungen zu analysieren, die zwischen den Regeln des scientific managemant und der Techniken seiner Umsetzung bestehen. Dazu gehört auch der Blick auf die Formulierung der Kenntnisse, die zur spezifischen Gestaltung und zur Normierung von Büroräumen gebraucht werden, also Kenntnisse über Innenarchitektur und Hygienismus. Ein weiterer Aspekt ist schließlich das Aufkommen eines – stark weiblich geprägten - neuen Berufsstandes und einer neuen sozio-professionellen Figur – nämlich derjenigen des bzw. der Angestellten. Ein auf das Büro angewandter Begriff des Dispositivs ermöglicht nun, die Entstehung dieses Arbeitsraums vor dem Hintergrund von Konflikten und Verhandlungen zu sehen – zwischen Unternehmern, Angestellten, Berufsverbänden und dem Staat. Diese aus der Beteiligung so verschiedener Konfliktparteien entstehende Heterogenität lässt die Bürokulturen entstehen, deren Analyse sich an der médiation technique Bruno Latours orientiert.
Das Projekt berücksichtigt und untersucht eine ganze Reihe von bislang unausgeschöpften Quellen zur Entstehung des Büroraums in der Schweiz. Ziel ist es dabei, die epistemische Rolle eines Raumes zu beleuchten, der Akteur und Sediment der Geschichte zeitgenössischer Gesellschaften ist. Zugleich soll auf die kulturelle Bedeutungsvielfalt von Arbeitsräumen aufmerksam gemacht werden, die Orte beruflichen, sozialen und politischen Lernens sind.